Aufsätze der Publikation GENDER TECHNIK MUSEUM
Strategien für eine geschlechtergerechte Museumspraxis

Hg. von Daniela Döring und Hannah Fitsch,
Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung,
TU Berlin 2016

Daniela Döring, Hannah Fitsch, Sabine Hark: Einführung

Die Publikation versammelt die Ergebnisse des vom Bundesministeriums für Bildung und Forschung geförderten Vorhabens „GENDER TECHNIK MUSEUM. Strategien für eine geschlechtergerechte Museumspraxis“. In der Einleitung des Bandes werden der Forschungsstand und die Debatten in der Museumslandschaft skizziert, an die das Projekt anknüpft. Vorgestellt werden die einzelnen Maßnahmen des Vorhabens sowie die im Band veröffentlichten Beiträge der Auftaktkonferenz. Über die Bestandsaufnahme in Technikmuseen hinaus, eröffnen die Aufsätze interdisziplinäre Perspektiven auf eine reflexive und gendergerechte Museumspraxis.

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Martina Heßler: Das Öffnen der black box. Perspektiven der Genderforschung auf Technikgeschichte

Die technikgeschichtliche Genderforschung stellt mittlerweile ein etabliertes und ausdifferenziertes Feld dar. Der Text skizziert die wichtigsten Stationen der Genderforschung seit den 1970er Jahren. Dazu gehört die frühe Frauenforschung, die den Ausschluss und die Diskriminierung von Frauen in technischen Berufen und Feldern aufzeigte und die Gleichsetzung von Technik mit Männlichkeit problematisierte. Entsprechend entwickelte sich seit den 1980er Jahren langsam eine Forschungsrichtung, die sich mit Männlichkeitskonzepten befasst. In diesem Zusammenhang wurde auch die scheinbar natürliche Verbindung Männlichkeit und Technik befragt. Die Genderforschung erweiterte schließlich die Frauenforschung und zeigte die Ko-Konstruktion von Geschlecht und Technik in vielen Studien auf. Der Artikel endet mit einem Blick auf den gegenwärtigen Stand der technikgeschichtlichen Genderforschung. Dabei wird die meist unhinterfragte Prämisse des binären Fragens aufgezeigt und nach Alternativen gesucht.

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Gabriele Wohlauf: „Rin in die Bude mit der Frau!“ – Die Geschlechterfrage im Berliner Technikmuseum 1980-2006

Der Text zeigt die Anfänge geschlechtergeschichtlicher Arbeiten im Museum für Verkehr und Technik (MVT) Berlin im Rückblick. 1985 wurde Hausarbeit als eigenständiges Sammlungsgebiet gleichberechtigt neben der Produktionstechnik etabliert. Diese Erweiterung gelang durch vielfältige Kooperationen und Kontakte mit Frauen aus nationalen und internationalen Museen und außeruniversitären Frauenforschungsprojekten. Ausgehend von dieser autonomen Frauenforschung vernetzten sich Naturwissenschaftlerinnen, Technikerinnen und Gesellschaftswissenschaftlerinnen in Arbeitskreisen, informellen Printmedien, Kongressen sowie in neu gegründeten Vereinen. Das MVT ermöglichte in seiner Gastgeberrolle Tagungen / Workshops und war ein wichtiger Knotenpunkt dieses Netzes und persönlicher Kontakte. Außerdem sammelt das Museumsarchiv zahlreiche Archivalien dieser Aktivitäten und außeruniversitärer Frauenverbände, die heute eine reiche Ressource zukünftiger Forschungsarbeiten sind.

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Daniela Döring, Hannah Fitsch, Lisa Bor, Jülide Çakan: Technologien der Geschlechter. Ansätze für eine gendergerechte und reflexive Museumspraxis

Abstract: Der Beitrag versammelt die Ergebnisse des Forschungs- und Vernetzungsvorhabens GENDER TECHNIK MUSEUM, das Geschlechterwissen und -politiken in technischen Museen untersuchte. In sechs Kooperationsinstitutionen wurden 40 Expert*inneninterviews in den Bereichen der Sammlungs-, Ausstellungs-, Vermittlungs- und Personalpolitik geführt, um Kompetenzen, Strategien und Herausforderungen für eine gendergerechte Museumspraxis sichtbar zu machen. Wird Technik als Kulturgeschichte von Technologien verstanden, so zeigt sich verstärkt die Möglichkeit, geschlechtsgebundene und soziale Kontexte und Ungleichheiten zu thematisieren. Geschlecht findet so nicht nur als punktuelle, sondern als strukturelle Kategorie Eingang in die Museen und bereichert die Antworten auf die Frage, was für ein Ort das Technikmuseum heute sein kann.

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Daniela Döring, Hannah Fitsch: Fragebogen der Untersuchung

Abstract: Der vorliegende Fragebogen bildet die Grundlage der Expert*inneninterviews in den ausgewählten Museen. In dieser qualitativen und narrativen Befragung wurden die einzelnen Museumspraktiken – Sammeln, Kuratieren, Vermittlung sowie die Personalpolitik – untersucht und vor dem Hintergrund des jeweiligen Technik- und Museumsverständnisses beleuchtet. Es ging dabei nicht um einen Vergleich der Institutionen, sondern um das Sichtbarmachen des Status quo und verschiedener Strategien. Die hier abgedruckten Antworten stellen einen exemplarischen Querschnitt durch die Interviews dar. Es handelt sich dabei nicht um direkte Zitate; sie wurden aber eng am Originalton gehalten. Sie bieten einen Einblick in das vielstimmige Material, machen die zugrunde gelegte Forschungsmethode transparent und würdigen das vorgefundene Praxiswissen

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Roswitha Muttenthaler: Dinge neu gebrauchen – Zum Umgang mit Sammlungen von gegenderten „Dingen von Belang“

Abstract: Haus- und Reproduktionsarbeit war historisch Frauen zugewiesen und auch heute noch ist ihr Arbeitsanteil höher als jener der Männer. Solange solche Zuweisungen bestehen, haben die im Haushalt verwendeten und im Technikmuseum gesammelten Geräte auch eine Sonderrolle als das Andere zum Standard der als männlich konnotierten Technik. Festschreibungen zu benennen ruft zwar Geschlechterstereotypen auf, doch eine Nichtmarkierung in der Sammel- und Dokumentationspraxis führt dazu, diese unsichtbar zu halten und der Reflexion zu entziehen.

Anhand exemplarischer Haushaltsobjekte aus dem Technischen Museum Wien werden Genderaspekte skizziert. Der Fokus liegt dabei auf Gebrauchsgeschichten. Daran knüpfen sich die offenen Fragen: Welche Chancen bieten diese beziehungsreichen Dinge, um Geschlechterrollen nicht nur zu dokumentieren, sondern ebenso zu reflektieren? Wie kann in Anlehnung an Bruno Latour das Wirksamwerden von Dingen in seiner geschlechtsspezifischen Dimension in Sammlungen Eingang finden und dort neu und den Konflikt nicht scheuend verhandelt werden?

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Regina Wonisch: FremdKörper – Geschlechterbilder in Migrationsausstellungen

Abstract: Bei Fremdkörpern handelt es sich um Objekte, die in einem je spezifischen Kontext als nicht dazugehörig und daher meist als störend betrachtet werden. Migrant*innen werden jedoch nicht als Fremdkörper wahrgenommen, weil sie nationale Grenzen überschritten haben, sondern weil ihnen Differenzen zugeschrieben werden. Daher werden manche Menschen nie als Migrant*innen wahrgenommen, während es andere aufgrund ihrer körperlichen Erscheinung und/oder ihres prekären sozialen und politischen Status immer bleiben. Vor dem Hintergrund der musealen Privilegierung des Blicks stehen die Kurator*innen vielfach vor dem Problem: Um Migrationsobjekte ebenso wie Migrationssubjekte als solche sichtbar zu machen, müssen sie sich unterscheiden und bestätigen auf diese Weise die Alterität der Zugewanderten. Das betrifft männliche wie weibliche Subjekte der Migration, wobei die Repräsentationsformen unterschiedlich sind. So unsichtbar Frauen in Migrationsdarstellungen oft bleiben, das Bild des verschleierten weiblichen Körpers avancierte geradezu zum Inbegriff des Anderen.

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Martina Griesser / Nora Sternfeld, schnittpunkt. ausstellungstheorie & praxis: „Duty, Guilt, Indifference, Awe, Fatigue, Nostalgia, Ecstasy, Fear, Panic“. Unzeitgemäßes Kuratieren als dissidente Treue zum Material

Abstract: Wie können machtspezifische Ungleichheiten in Ausstellungen thematisiert werden, ohne sie dabei zu reproduzieren? Wie können wir etwas aufzeigen, ohne es zu zeigen, wie unsichtbar Überliefertes dekonstruieren, ohne sichtbar zu rekonstruieren? Wie können wir unseren erlernten Blick und den anderer anders lenken, um künftig anders zu handeln? Mit diesen ambitionierten Fragen als Motor widmen wir uns in unserem Beitrag Strategien des Ausstellens, die einladen, Erlerntes zu verlernen, Selbstverständlichkeiten in Frage zu stellen, sogar neue zu erzeugen und binäre Logiken zu durchkreuzen – am Beispiel einer Wanduhr des Künstler*innenkollektivs Raqs Media Collective und anhand zweier Schminkspiegel und einem Tandem, die Sammlungsobjekte des Technischen Museums Wien sind.

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Smilla Ebeling: Museum & Gender: Ein Leitfaden für gendergerechte Museen

Abstract: Der Beitrag stellt einen Leitfaden für Museumsmitarbeiter*innen als eines von mehreren Instrumenten zur Unterstützung einer geschlechtergerechten Transformation von Museen vor. Er legt die Zielsetzung des Leitfadens im Spannungsfeld der Vermittlung einer komplexen, theoretisch differenzierten Thematik und alltagsweltlicher Anwendbarkeit in allen Museumstypen dar und schildert den für die Zusammenarbeit von Museumsforschung und -praxis relevanten Entstehungskontext des Leitfadens. Neben der Beschreibung seiner Inhalte und Gestaltung wird auch das Instrument eines Leitfadens diskutiert.

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Elke Smodics: In Normalitäten intervenieren und Regeln dekonstruieren. Perspektiven einer emanzipatorischen Kunst- und Kulturvermittlung

Abstract: Im feministischen, transdisziplinären Projekt Flic Flac* wurden Unterrichtsmaterialien erarbeitet, die verschiedene Vermittlungsinstrumentarien versammeln und unterschiedliche Annäherungsformen an das Themenfeld Feminismus und Queer aufzeigen. Anhand dieses Beispiels aus der Praxis stellt dieser Text methodische und strategische Herangehensweisen von emanzipatorischer Kunst- und Kulturvermittlung vor, für die die Infragestellung von vorherrschenden Wissensformen und die Selbstermächtigung der Projektbeteiligten zentral ist.

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Literatur

Die Bibliographie versammelt eine Auswahl der für die Untersuchung relevanten Literatur und gliedert diese in thematische Schwerpunkte wie etwa „Gender und Museum“, „Leitfäden“, „Geschlecht in Technik und Natur“ etc. auf.

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